Schlimmer geht's nimmer:
Vom Totalschaden zur funktionierenden Anlage

Wir waren seit der Restaurierung unseres Polyplay-Spielautomaten zwar schon einiges gewohnt, was den möglichen Ausgangszustand geretteter Geräte betrifft, doch das sollte nun übertroffen werden und zu einem letztendlich über 10 Jahre dauernden Arbeitseinsatz führen. Immerhin, es gab diesmal keinen Schimmelpilz: Das lag aber nur daran, dass keine Komponenten aus Holz bestanden...


Die Entdeckung

Im Jahr 2009 entdeckten wir in einer Industrieruine die Überreste eines Datenerfassungssystems von Robotron. Von der einst über 100.000 Mark teuren Anlage, die aus den 1980er Jahren stammt, waren leider nur noch Trümmer übrig: Buntmetalldiebe hatten den Schrank gewaltsam aufgebrochen, inwendig sämtliche Leiterplatten, Netzteile, Kabel, Stecker und Motoren entfernt und vermutlich beim Schrotthändler in wenige Euro Gewinn umgemünzt. Mangels Typenschild gelang es noch nicht einmal, den Schrank sofort einem konkreten Rechnertyp zuzuordnen. Von den einst acht Terminals und den Druckern fehlte jede Spur, ebenso von den Tischen. In dem Tropfstein-nassen Gebäude war der Putz bereits von der Decke gefallen und bildete ein weiches, stellenweise fast 10 cm dickes Fußbodensediment. Auch auf dem Schrank lag auch eine dicke Schicht: sie schützte immerhin dessen Polyurethan-Deckplatte vor böswilliger Zerstörung.


Der lädierte Rechnerschrank

...und seine Rückseite

Oben leer...

...und auch unten leer.

Beim Stochern im Sediment (das war wie beim Suchen nach Lawinenopfer) kam immerhin noch die Frontklappe des Bandlaufwerks zum Vorschein, außerdem eine Leiterplatte, die den Buntmetallräubern offenbar heruntergefallen und spontan im Matsch versunken war. Im Raum lagen auch die Chassis von drei der vier Diskettenlaufwerke verstreut herum: auch bei ihnen fehlen Motoren, die Leiterplatten und sogar die winzigen Magnetköpfe.


Der Abdruck der Magnetbandblende im Bodensediment

ausgegrabene Leiterplatte

Solche DDR-Datensammelrechner sind heute super-selten: von den meisten Varianten existieren gar keine Exemplare mehr. Und uns war in den letzten 30 Jahren auch nur 1 weiteres Exemplar begegnet.


Abtransport einer Schrankhälfte

An eine Reparatur der Anlage war nicht zu denken. Aber vielleicht könnte die Anlage als Schaustück dienen, wenn man sie äußerlich wieder hübsch macht. Erfreulicherweise ließ sich der Schrank in zwei Hälften teilen, die dann in zwei Fuhren im Kofferraum eines PKW abreisten, zusammen mit dem geborgenen Kleinmaterial. Das Gewicht war wegen der vielen fehlenden Teile immerhin erträglich.


Zweck der Anlage

Der Rechner, der sich als Robotron A5220 entpuppte, diente dazu, per Tastatur eingegebene Daten von maximal acht Benutzern zu bündeln und einer großen Datenbank (meist auf einem ESER-Rechner) zuzuführen. Die Anwendung war dabei beliebig: Finanztransaktionen, Erstellung von Betriebsaufträgen, Lagerverwaltung, Statistiken...


So sollte die Anlage (ohne Terminals) aussehen

Die Anlage setzte sich aus Komponenten des K1520-Mikrorechnersystems zusammen: dies betraf sowohl den zentralen Rechnerschrank als auch die Terminals.


Rechnerschrank

Der Schrank mit seinen Seitenwänden aus dickem Eisenblech hatte sowohl der Feuchtigkeit als auch dem Vandalismus erstaunlich gut getrotzt. Seit mehrmaligem Reinigen und anschließenden Versiegeln der Oberfläche mit Wachs sieht er wieder ganz ansehnlich aus.


Rechnerschrank, erst teilweise montiert...

...und hier so weit wie möglich komplettiert.

Schlechter ging es den Blenden der Diskettenlaufwerke: die hatte die Buntmetallräuber gewaltsam aufgeknackt: die Intelligenz, dass man die hätte ganz einfach aushängen können, hatten diese Menschen anscheinend nicht. Wir tengelten das Blech vorsichtig wieder in Form und besserten Abplatzungen der Farbe aus.


beschädigte Frontblende der Disketteneinheit

Damit sich der Schrank mit seinen zwei Zentnern Gewicht problemlos im Zimmer verschieben lässt, fertigten wir ein maßgeschneidertes Rollbrett, auf dem der Rechner dauerhaft stehen soll. Einige Jahre später, nachdem der Rechner gewichtsmäßig stark zugenommen hatte, hielt dieses Brett seiner Belastung nicht mehr stand und brach durch, zum Glück ohne Schäden zu verursachen. Das neue Brett dimensionierten wir stärker und das hält seitdem.

Da der Rechner jahrelang in der Industrieruine mit herausgezogenem Rechnereinschub stand, war der Putz der Zimmerdecke in hineingefallen und hatte in Verbindung mit Feuchtigkeit nicht nur inwendig zu starker Verschmutzung, sondern auch zu Rost geführt. Mit Spachtel, Bürsten und Lappen haben wir das wieder halbwegs sauber gekommen. Die total verkrustete Frontblende des Magnetbandlaufwerks mussten wir lange einweichen, damit der Schmutz abging, ohne weitere Kratzer zu erzeugen.


Der Rechnereinschub im Urzustand

Der Rechnereinschub, grob regeneriert

Bandlaufwerksblende, Urzustand

Bandlaufwerksblende, gereinigt



Der lange Anlauf

Nachdem es mit relativ wenig Aufwand gelungen war, den Rechnerschrank wieder in einen akzeptablen äußerlichen Zustand zu versetzen, keimte eine erster Funken Hoffnung, den Rechner vielleicht doch ganz langfristig wieder in Funktion zu nehmen. Doch dazu fehlte es vorerst an fast allem: Geduld war das einzige, das wir in gewisser Menge bereits hatten und so hielten wir zunächst nur die Augen auf, ob sich irgendwo mal etwas ergibt, was unserem Projekt zuträglich ist.


Sloteinheiten (1)

Die originalen Sloteinheiten waren von den Buntmetallräubern zertrampelt worden, außerdem fehlten ihre Rückverdrahtungseinheiten samt Verkabelung. Der erste Schritt bestand in einer mechanischen Behandlung der Käfige, um diese wieder in Form zu bringen. Im Anschluss steckten wir K1520-Karten rein, die zwar bussteckerseitig in der Luft hingen (und zunächst waren es auch nicht einmal die richtigen Karten), aber der Rechnereinschub sah damit gleich weniger trostlos und viel technischer aus.


Platinenkäfig im Urzustand

reparierter Platinenkäfig

In diesem Zustand verbrachte der Rechner die nächsten Jahre.


Leiterplatten (1)

Der A5220 ist aus Komponenten des Mikrorechnersystems K1520 aufgebaut und besteht aus drei gekoppelten Rechnern, jeweils auf Basis des Prozessors U880: Grundsätzlich sind im A5220 keine gerätespezifischen Leiterplatten verbaut, allerdings sind seltene Baugruppen darunter, wie die Karten mit den vier IFSS-Anschlüssen im Konzentrator oder das Magnetbandsubsystem. Wir fingen also an, typenmäßig passende Karten in der Nähe des Rechners zu lagern und uns nach den seltenen Karten gezielt umzusehen.


K1520-Karte

Die noch nicht korrekt gefüllte Rechnereinheit

Nach einigen Jahren hatten wir den notwendigen Kartensatz beisammen, ein Schritt in Richtung Wiederinbetriebnahme.


Netzteile

Die originalen Stromversorgungsmodule inklusive Schaltkassette fehlen leider alle, die waren wohl von den Buntmetallräubern zum Schrotthändler geschafft worden. Der A5220 wird zum Glück aus Standardmodulen der STM-Serie bestromt, diese ließen sich also nachbeschaffen.

Da solche Netzteile auch in anderen Rechnern eingesetzt wurden, bestand die Möglichkeit, ihre Funktionsfähigkeit zu untersuchen. Natürlich funktionierten die nicht auf Anhieb und so musste erst einmal jedes Modul zerlegt und repariert werden, wobei sich deformierte Elkos und korrodierte Sicherungshalter als Hauptfehlerursachen herausstellten. Im Anschluss wurde jedes Modul einem längeren Dauertest unter Belastung unterzogen. Dabei wurde ein Primärelko als kapazitätsschwach identifiziert und daraufhin ersetzt.

Als ziemlich zickig stellte sich die Schaltkassette SKE heraus: sie dient der zeitlichen Steuerung des Ein- und Ausschaltens der Netzteilmodule und lässt sich nicht einfach solo testen, was also den Nachweis der Funktionsfähigkeit erschwert. Und es zeigte sich auch, dass einige Bauteile drin kaputt waren...


Die (noch nicht korrekt gefüllte) Netzteilbank des A5220

Die neue Schaltkassette, innen

Die neue Schaltkassette im Probelauf

Die Module steckten wir dann in die vorgesehenen Stellen im Rechner. Welches wohin gehört, wussten wir erst später durch die Bilder aus Dresden. Das Innenleben des Rechners war nun nicht nur ein Stück ansehnlicher, sondern wir hatten auch wieder einen Schritt der Wiederherstellung des Rechners erreicht.


Terminal

Für den Einsatz am Datensammelsystem gab es einen spezielles Terminaltyp: das Robotron K8913. Von dieser Sorte können acht Stück angesteckt werden, wobei das erste Terminal das wichtigste ist, denn es bildet die Administratorkonsole. Die ggf. weiteren Terminals sind dann reine Datenerfassungsstationen.

Zwar äußerlich baugleich mit den anderen Geräten der K891x-Serie, unterschied es sich doch inwendig und auch funktionell von allen anderen Terminals. Es hatte nur wenig Firmware auf EPROMs, besaß aber viel RAM. Um das auszugleichen, fragte das K8913 beim Einschalten per Netzwerkleitung nach einer Arbeitssoftware beim Leitrechner an, die dieser von Diskette lud und per Netzwerkleitung ans Terminal schickte, woraufhin das Terminal eine weitgehend selbständige Arbeit verrichten konnte. Diese exotische Arbeitsweise wurden den Terminals aber leicht zum Verhängnis: außerhalb eines Datensammelsystems sind sie nutzlos. Was dazu führte, dass viele K8913 nachträglich umgebaut wurden: entweder in klassische Bildschirmterminals (K8911) oder in PCs (K8915).

Einen mit "K8913" beschrifteten Rechner zu kriegen war gar nicht schwer, jedoch es dauerte lange, bis mal einer mit dem originalen Innenleben auftauchte.


Reparaturarbeiten am Terminal

Ohne den A5220 macht ein K8913 fast nichts: es durchläuft einen Selbsttest, bei dem ggf. Speicherfehler oder eine defekte Tastatur gemeldet wird, malt einige Sekunden seinen Zeichensatz hin und ist danach allein zu keiner weiteren Kommunikation Richtung Bediener bereit, was ein Ausprobieren erschwert.

Typischer Fehler dieser Art von Geräte ist der Zeilentrafo des Bildschirms, der im Laufe der Zeit unaufhaltsam kaputt geht, was leider auch bei unserem Exemplar der Fall war. Ein defekter IC auf der Grafikkarte brachte fürs erste nur wirre Symbole, das ließ sich aber beheben. Letztendlich gelang es, das Terminal dazu zu bringen, dass es die Meldung "Connection test" ausgibt, was bedeutet, dass es fürs erste mit sich zufrieden ist und nun auf den Leitrechner wartet.


Das weitgehend zerlegte K8913

Hurra! Das Terminal funktioniert!



Diskettenlaufwerke (1)

Im A5220 werden die Diskettenlaufwerke für viele Zwecke benutzt, sind damit unverzichtbar: Zum A5220 gehören zwei bzw. vier 8-Zoll-Diskettenlaufwerke der Typen MF3200, MF6400 oder EC5074, wobei in unserem Rechner letztere verbaut waren. Wir hatten zwar die Überreste von drei Laufwerken EC5074 geborgen, aber an eine Reparatur war nicht zu denken: Kopf- und Spindelmotor fehlten, ebenso die Leiterplatten und sogar die winzigen Magnetköpfe hatten die Buntmetallräuber herausgeknackt. Auch die Adapterkarten, die einst hinten an den Laufwerken steckten, fehlten, ebenso die Kabel zur Quertraverse des Schrankes und die Kabel vom Rechner zur Quertraverse. Immerhin existierten die beiden Alu-Platten, auf denen je zwei Laufwerke im Schrank verankert waren, noch. Wir schraubten die Laufwerkswracks wieder auf die Grundplatten, damit die Schrankfront zumindest ein vernünftiges Aussehen bekam.


Die Reste eines originalen Diskettenlaufwerks

Lose Laufwerke EC5074 hatten wir leider leider nicht vorrätig, aber wir haben mehrere Geräte in der Ausstellung, die funktionierende EC5074 besitzen, sich also für einen zumindest zeitweisen Einsatz am A5220 anboten. Damit konnten wir die Nachbeschaffung der Laufwerke erst einmal zeitlich nach hinten schieben.


Magnetbandlaufwerk (1)

Vom originalen Magnetbandlaufwerk hatten nur das Alu-Chassis und die beiden Wickelteller überlebt. Motoren, Trafos, Leiterplatten und Verdrahtung waren von Buntmetallräubern entfernt worden. Zwar gelang es Jahre später drei passende Motoren zu kaufen, aber der Weg zu einem kompletten Bandlaufwerk war trotzdem endlos weit.


Die Reste des originalen Magnetbandlaufwerks

Das Magnetbandlaufwerk dient am A5220 nur der Datenausgabe, ist damit für die Inbetriebnahme der Anlage nicht zwingend notwendig. Es gab übrigens auch Varianten des A5220, die gar kein Bandlaufwerk besaßen. So konnten wir dieses Thema erst einmal weit nach hinten schieben.


Software

In dem Rechenzentrum, in dem unserer Rechner einst stand, hatte nur eine 8-Zoll-Diskette überlebt. Nach vorsichtiger Reinigung ihrer Magnetoberfläche konnten wir einen Blick auf den Inhalt werfen, doch der war ernüchternd: es befanden sich nur endlose Zahlenkolonnen ohne erkennbaren Sinn auf ihr. Offenbar war diese Diskette einst ein Endprodukt der Dateneingabe: als Pendelmedium zum auswertenden Großrechner oder zumindest als Swap-Diskette, die im Fall des Ausfalls der Großrechneranbindung temporär benutzt wurde. Mit dieser Diskette kamen wir also nicht weiter.

Das für den A5220 notwendige Betriebssystem EIEX hatte Robotron selber geschrieben, ohne dass es dafür ein westliches Vorbild gab. Daraufhin war eine Suche im Internet nach Startdisketten für unsere Rechneranlage oder nach zumindest kompatiblen Systemen verständlicherweise erfolglos.

Durch die Datensicherung sehr vieler DDR-Disketten kamen wir selten (eine von tausend?) auch an Disketten, die sich keinem bekannten Rechner zuordnen ließen, da der Name des zugehörigen Rechners nicht zwingend im Dateninhalt auftaucht. Mit zunehmender Anzahl an gesicherten Disketten ließ sich dann doch eine dem A5220 zuordnen, was anhand gefundener Gemeinsamkeiten auch die Zuordnung einiger weiterer Disketten ermöglichte. Einige Disketten beinhalten nur Zahlenkolonnen, einige erwiesen sich als (für uns wesentlich interessantere) Programmdisketten und letztendlich fanden sich auch einige, die potentiell bootfähig sind. Damit schien diskettenseitig die Voraussetzung für eine Wiederinbetriebnahme gegeben zu sein. Dass wir hier irrten (denn wir wussten damals nicht, dass es mindestens drei inkompatible A5220-Varianten gab), sollten wir später noch merken.


Bücher

Was es alles an Literatur zu dem Rechner gegeben hatte, wissen wir bis heute nicht. Aber im Laufe der Zeit bekamen wir zwischen vielen anderen auch drei Bücher zum A5220, außerdem ein Messeprospekt. Wir digitalisierten diese Bücher, damit wir sich auch in Gruppe lesen konnten. Dabei fiel auf, dass es noch andere, ähnliche Rechner gab: z.B. A5222 und der Konzentrator des A6422.


A5220-Handbuch

A5220-Handbuch


Besuch in Dresden

Hochinteressant war die Erkenntnis, dass sich ein wohl kompletter A5220 in einem befreundeten Museum in Dresden befindet, was nach heutiger Erkenntnis auch das einzige überlebende Exemplar außer unserem darstellt. Ein dortiger Mitarbeiter bot uns an, dass wir das Gerät auf dem "kleinen Dienstweg" außerhalb der Öffnungszeiten zu erforschen könnten, was wir dankend annahmen. Da EPROMs die unangenehme Eigenschaft haben, sich im Laufe der Zeit selbst zu löschen, duldetet diese Sache auch keinen Aufschub. Uns so reisten wir, mit Kamera und EPROM-Lesegerät bewaffnet, im Sommer 2010 nach Dresden.

Der Rechner dort ist in sehr gutem Erhaltungszustand und auch inwendig komplett, allerdings waren die meisten Kabel im Inneren abgezogen und die Blenden der Diskettenlaufwerkseinheiten fehlten. Wir fotografierten alle Leiterplatten beidseitig unter besonderer Berücksichtigung der Wickelbrücken und lasen den Inhalt der EPROMs (die erfreulicherweise nicht eingelötet waren, sondern in Fassungen steckten) aus. Dem folgte die fotografische Dokumentation der Bewickelungen der drei Sloteinheiten.


Der Dresdner A5220, links sein Terminal

lose Kabel im Inneren

Rückverdrahtung der Sloteinheit, linke Seite

Rückverdrahtung der Sloteinheit, rechte Seite

Erfreulicherweise stand daneben ein Terminal K8913, seine Leiterplattenbestückung dokumentierten wir ebenfalls und lasen auch seine Firmware aus. Software in Form von Disketten fanden wir hier leider nicht: möglicherweise existiert die auch nicht mehr.

Die Firmware und das Wissen, wie so ein Rechner verdrahtet sein muss, bedeutete für unser Projekt einen riesigen Fortschritt.

Dass das Dresdner Gerät einen älteren Entwicklungsstand darstellt als unseres und dass man die Varianten nicht ohne weiteres kombinieren kann, wussten wir aber vorerst nicht.


Volle Kraft voraus!

Mit den bisherigen Schritten gingen letztendlich acht Jahre ins Land. Im Jahr 2014 zog der A5220 zusammen mit der übrigen Rechentechnik von Merseburg nach Halle um, wo wir ein Gebäude für die Ausstellung gekauft hatten: das Rechenwerk. Hier wurde der A5220 in eine Tischreihe integriert und stand auch weiter nur als äußerliches Schaustück herum. Eine Bildergalerie berichtete über die wechselhafte Geschichte des Rechners. Immerhin hatten wir nun den Platz, die Anlage zu komplettieren und auch einen originalgetreuen Tisch unters Terminal zu stellen.


Der A5220, eben im Rechenwerk angekommen

Irgendwann im Februar 2017 kam mal wieder das Gespräch auf den Zustand des Rechners und wir stellten zum eigenen Erstaunen fest, dass wir fast unmerklich alle Voraussetzungen beisammen hatten, um die Anlage reparieren zu können. Und so fassten wir nun den Beschluss, das auch wirklich zu tun. Da wir personell inzwischen gewachsen sind, konnten wir uns bei den nun folgenden Arbeiten abwechseln und auch gemeinsam nach Lösungen suchen. Der Arbeitsaufwand war allerdings enorm: die folgenden Schritte dauerten weitere fünf Jahre, wobei ja immer nur 1 Tag pro Woche für Vorort-Arbeit blieb. Kleinarbeiten erledigten hingegen wir auch zwischendrin zuhause.


Sloteinheiten (2)

Zwar bestand die erste Idee darin, die verbogenen Platinenkäfige wieder zu verwenden, aber letztendlich haben wir uns für neue aus dem Lager entschieden. Dank Standardisierung in der DDR kamen diese K1520-Sloteinheiten aber auch in anderen, weniger seltenen, Rechnern vor (konkret K8924 und K8911) und wir fanden letztendlich auch lose Teile, ohne dass wir dafür andere Geräte schlachten mussten.

Die Sloteinheiten des A5220 brauchen jede Menge Bewickelungen auf der Rückseite: sowohl um die drei Rechner untereinander zu koppeln also auch um die Bedienelemente der Schrankfront anzubinden und um spezielle Kommunikationen zwischen Platinen zu ermöglichen. Zuerst verbanden wir die drei Einheiten wieder mechanisch mit Distanzbolzen, anschließend begannen wir die Wiederherstellung der Verdrahtung: dicke Drähte für die Stromzufuhr und dünne Wickeldrähte für die Verbindungen von Stift zu Stift. Stellenweise war es mühsam, auf den Dresdner Fotos alle Drähte richtig zu erkennen und so bauten wir leider auch Fehler ein, die wir erst viel später entdeckten.


Verdrahtung der Sloteinheiten

Hier muss nochmal genau hingeschaut werden

Unsere nachgebaute Rückverdrahtung

Die bereits reparierten Netzteilmodule kamen wieder in ihre Slots und nach Anbringen eines Netzkabels konnten wir im Februar 2018 den Schrank erstmalig einschalten. Bis alle Lämpchen der Schaltkassette SKE leuchteten, dauerte es zwar noch, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Auch ein irgendwann mit lautem Knall explodierter Entstörkondensator konnte uns nun nicht mehr aufhalten.


Reparatur der Fronteinheit

Ersteinschaltung

Einige Zeit später sind uns zwei STM mit Trafoschaden kaputt gegangen. Da die Module recht heiß werden können und die Ventilation besonders im herausgezogenem Zustand der Rechnereinheit mangelhaft war, setzten wir einen zusätzlichen Lüfter direkt über die Netzteile.

Im Jahr 2022 dann wieder ein Netzteilausfall mit Trafoschaden: diesmal das 24V-Netzteil, das die Diskettenlaufwerke versorgt. Wir steckten probeweise ein baugleiches Netzteil rein, auch bei dem lief der Trafo nach wenigen Minuten heiß, zum Glück diesmal ohne Folgeschaden. Die nachfolgende Messung ergab, dass unsere Diskettenlaufwerke zusammen 4,5A Ruhestrom ziehen, das Netzteil aber bei 4,2A seine Leistungsgrenze hat. Eine Erklärung für diese Differenz gibt es bis heute nicht: vielleicht waren die originalen Diskettenlaufwerke einst irgendwie umgebaut, damit sie weniger Strom ziehen. Letztendlich bauten wir statt des bisherigen 100W-Netzteils ein 150W-Netzteil ein, das seitdem klaglos läuft.


Leiterplatten (2)

Manche Leiterplatten beinhalteten EPROMs und die müssen A5220-spezifische Firmware beinhalten, die uns glücklicherweise seit dem Besuch in Dresden zur Verfügung steht. Wir brannten im Februar 2018 die zwanzig Datenabzüge auf neue EPROMs und steckten sie in die Fassungen auf den Karten.


Einrichten der Leiterplatten, hier zwei ZVE.

Alle Leiterplatten stecken

Die Karten wickelten wir entsprechend der Fotos und benutzten verschiedene Rechner, um im Vorfeld ihre Funktionsfähigkeit nachzuweisen: den MRES für den Floppycontroller, den Polyplay für die Prozessorkarten, den K8924 zum Prüfen der RAM-Karten.

Problematisch wurde es bei den Karten, die es in keinem anderen unserer Rechner gab, z.B. die beiden IFSS-Karten den Konzentrators. Da kamen wir um eine Prüfung Schaltkreis um Schaltkreis per Logikprüfstift und Pulser nicht herum.

Auf der OFS-Karte des Konzentratorrechners erwiesen sich zwei Bustreiber als defekt, die Schaltkreise ersetzten wir.

Lange Zeit blieb ein Rätsel, warum sich die grüne LED auf der SRAM-Karte sehr eigenwillig verhielt, obwohl die Karte grundsätzlich funktionierte. Als erste Ursache hat sich herausgestellt, dass unser Rechner eben doch nicht mit dem in Dresden identisch ist: Änderungen in der Beschaltung der Frontbaugruppe im Schrank erfordern letztendlich eine andere Bewickelung der Speicherkarte. Und als zweite Ursache stellte sich heraus, dass eins der 12V-Netzteilmodule aufgrund nachlassender Kapazität eines Elkos einen Brummanteil in der Ausgangsspannung hatte.


Diskettenlaufwerke (2)

Die originalen Diskettenlaufwerke wieder zum Laufen zu bringen, war mangels verfügbarer Ersatzteile chancenlos. Vier neue Laufwerke zu bekommen aber fast genauso. Immerhin haben wir mehrere Geräte in der Ausstellung, die einsatzbereite EC5074-Laufwerke besitzen. Vier Laufwerke würden wir für die Reparatur nicht brauchen, aber zwei müssten es schon sein. Also "spendierten" der A5110 und der MRES vorerst je eins ihrer Laufwerke.

Die Leiterplatten mit den langen Steckern, die rückseitig auf jedem Laufwerken sitzen sollten und die auch Signalverstärker enthalten müssten, haben leider bei unserem A5220 nicht überlebt. Irgendwann fiel uns eine Leiterplatte in die Hände, die einst aus der 8-Zoll-Disketteneinheit eines Computers K8915 stammte. Sie beinhaltete die Busstecker für zwei Laufwerke, Signalverstärker sowie ein Netzteilmodul. Zwar nicht ganz original, aber immerhin mechanisch passend, vom gleichen Hersteller und aus der gleichen Entstehungszeit, bildet diese Leiterplatte nun das Rückgrat der ersten Laufwerkseinheit. Die originalen Daten- und Stromversorgungskabel der Disketteneinheiten hatten leider auch nicht überlebt, die mussten wir also selber löten.


nachgebaute Leiterplatte auf der Traverse

Adapterkarte mit Flachstecker zu einem Laufwerk

Hinten im Rechnerschrank ist eine Traverse, die die Stromverteilung des Rechnerschrankes (damit auch der Diskettenlaufwerke) vornimmt, außerdem die Verteilung der Daten zu den vier Laufwerken. Die Verteilerleiterplatte fehlte ganz, die haben wir auf Lochrasterkarte nachgebaut. Die abgeschnittenen Netzkabel ersetzten wir. Original waren die Anschlüsse der 230V-Spindelmotoren der Diskettenlaufwerke an der Traverse verschraubt. Um einen leichteren Ausbau der Laufwerke zu ermöglichten, spendierten wir jedem Laufwerk einen Schukostecker und bauten zwei Schukoverteilerleisten ein.


zwei Diskettenlaufwerke bei der Reparatur

Spurlageeinstellung

2020 erbten wir nach langem Suchen vom einem Hobbykollegen zwei komplette K8915-8-Zoll-Disketteneinheiten. Ihre Gehäuse wanderten ins Lager, die vier EC5074-Laufwerke und eine Rückleiterplatte waren für den A5220 brauchbar. Zunächst mussten die Laufwerke repariert werden, wobei zerfallene Gummitreibriemen die offensichtlichsten Fehler bildeten. An einigen Laufwerken hatte in der Vergangenheit schon mal jemand herumgebastelt, was uns zu einer Neujustierung der Magnetköpfe zwang. Festgeharzte Motorenlager, fehlender Andruckfilz, kurzschlüssiger Tantalkondensator, defekte Transistoren: hier blieb uns leider kein Fehler erspart.


Rücksitzbank voller Diskettenlaufwerke: die Neuen kommen.

Kurios an dieser Stelle die Tatsache, dass (vermutlich aus Gründen der Materialersparnis) der Hersteller im Laufe der Produktion der EC5074-Laufwerke deren Gehäuseform und Anschraubpunkte geändert hatte, was uns bislang gar nicht aufgefallen war und uns zum Versetzen der Gewindelöcher zwang.


Ungleiche Zwillinge: beides EC5074

Eine der fertigen Disketteneinheiten

Der Computer K8924 eignete sich dann zum Nachweis von Lesen und Schreiben, zur Messung der mechanischen Eigenschaften und zum Nachweis, dass die Disketten zwischen den Laufwerken austauschbar sind. Im Anschluss konnten die beiden "geborgten" Laufwerke wieder in ihre originalen Rechner zurückkehren.


Magnetbandlaufwerk (2)

Ursprünglich hatten wir vor, die fehlenden Teile irgendwie zu ergänzen. Aber solche Ersatzteile sind weltweit extrem selten. Obwohl es uns gelang, drei Motoren zu beschaffen und wir auch drei Leiterplatten vorrätig hatten, haben wir letztendlich die Reparatur des alten Laufwerks aufgegeben, als wir die Möglichkeit fanden, 2017 ein baugleiches komplettes Laufwerk in Tschechien zu kaufen. Dieses war immerhin komplett, funktionierte aber auch vorerst nicht.

Wie schon von anderen dieser Laufwerke leidvoll bekannt, hatten sich auch bei diesem die Verklebungen der Permanentmagnete in den Motoren abgelöst. Nach Demontage, Entfernung des altes Klebers und penibler Reinigung der Klebestellen klebten wir die Magnete erneut ein, was aufgrund der hohen Magnetkräfte ein jeweils mehrtägiges Trocknen mit Schraubzwingen erforderte.


Bandlaufwerk, Vorderseite, halb zerlegt

Bandlaufwerk, Rückseite

Die drei Motorengehäuse während der Klebung

Ausgebaute Motoranker

Einen zerbrochenen Mikrotaster ersetzten wir durch einen neuen. Im Anschluss konnte das Laufwerk allein unter Verwendung der Fronttasten lange probelaufen.

Nun ging es an die Prüfung der Funktionsfähigkeit der Elektronik, wobei auch hier Defekte zutage traten. Wir haben zum Glück baugleiche funktionierende Magnetbandlaufwerke im Thierbach-Rechner, damit konnte dieser als Diagnosehilfe fungieren. Seit dem Ersetzten einiger Elektronikbauteile konnten wir erfolgreiches Lesen und Schreiben nachweisen: damit sind die Arbeiten am Bandlaufwerk abgeschlossen.


Reparatur des A5220-Bandlaufwerks am K1630

Niedlich: ausgebautes Kleinstkugellager

Messung am Bandlaufwerk im A5220

Messung am Bandlaufwerk im A5220

Allerdings waren noch Arbeiten am Bandcontroller notwendig und zudem stellte sich als Hürde heraus, dass wir kein Gerät besitzen, wo ein baugleicher Bandcontroller drin ist. Damit fiel also die Möglichkeit der Prüfung von Einzelkomponenten weg. Die Originalverkabelung des Bandcontrollers existiert nicht mehr, also mussten wir die nachbauen. Drei Datenkabel zwischen Bandcontroller und Bandlaufwerk hatten wir zum Glück aus anderer Quelle vorrätig.


Drucker

Das Datensammelsystem sieht vor, dass sich ein Drucker am Leitrechner befindet und ggf. an jedem der bis zu acht Terminals ein weiterer. Dies konnten entweder Typenraddrucker SD1152 sein oder Nadeldrucker SD1157. Originale Drucker hatten zu unserem Rechner nicht überlebt, aber derlei Geräte haben wir zum Glück bereits vorführbar in der Ausstellung im Rechenwerk. Wegen der höheren verfügbaren Stückzahl und dem leichteren Transportieren entschieden wir uns für den kleineren SD1152/251 und verlegten ein entsprechend langes IFSS-Kabel zu dessen Standort. Damit, dass dem Drucker später noch eine sehr wichtige Rolle bei der Inbetriebnahme zufallen würde, rechneten wir zunächst nicht.


Unser Drucker SD1152/251

Der erste Ausdruck

Ein zweiter SD1152/251 stand für die Ankopplung ans Terminal bereit, der aber, wie wir später merkten, nicht zwingend gebraucht wird.


Inbetriebnahme

Zunächst war der Rechner zu keiner sinnvollen Arbeit bereit: das lag sowohl an defekten Bauteilen als auch an Fehlern, die wir versehentlich eingebaut hatten, z.B. falscher Verdrahtung. Zur Diagnose zogen wir messtechnisch alle Register: Und er blieb zunächst an allerlei Stellen stecken! Der Rechner verfügt über eine begrenzte Selbstdiagnose, die ggf. die Fehlermeldungen über zwei LEDs an der Gerätefront morst. Mit Hilfe der Handbücher konnten wir diese Blinkkodes konkreten Fehlern zuordnen, so z.B. Kommunikationsfehler zwischen den Rechnern.


Messung der Konzentrator-ZVE per Logikanalysator

Messung an einer ASS-Karte: verbotener TTL-Pegel

In-Circuit-Emulation auf der ZVE-Karte des Leitrechners

Prüfung des Leitrechners per Bedieneinheit

Messung am Floppycontroller per Logikanalysator

Oszillografie am A5220

Nach erfolgreichem Selbsttest greift der Rechner auf das Diskettenlaufwerk zu und möchte sein Betriebssystem laden. Wir hatten mehrere Systemdisketten bereit liegen: es zeigte sich, dass aber nur eine einzige auf unserem Rechner bootet. Wie wir später herausfanden, hatte Robotron die Firmware und damit auch das Betriebssystem des A5220 mehrfach im Laufe seiner Produktionszeit geändert, was jeweils zu inkompatiblem Systemen führte. Dass wir überhaupt eine funktionierende Diskette gefunden haben, kam dem Hauptgewinn im Lotto gleich, auch was seine Wahrscheinlichkeit betraf.

Lange rätselten wir, wieso das Betriebssystem immer beim Booten stecken blieb, bis wir herausfanden, dass der Rechner zwingend einen eingeschalteten Drucker zum Booten braucht (was leider nicht im Handbuch erwähnt ist). Seit wir einen SD1152/251 als Systemdrucker angesteckt haben, geht das Booten weiter.


Reparaturteam

Untersuchung des Programmquellcodes

Kann passieren: Monteur steckt im Rechnerschrank

Flechten eines Kabels

Im nächsten Schritt soll der Leitrechner auf die Anforderung des ersten Terminals reagieren, indem er dessen Software von Diskette lädt und per IFSS-Leitung an das Terminal schickt. Da diese nur mit 2400 Baud arbeitet, dauert dieser Vorgang etwas. Und hurra, Ende März 2019 bekamen wir die erste Meldung vom Leitrechner auf dem Terminal, was auch endlich den Beweis für die Funktionsfähigkeit des Terminals darstellte. Die Systemdiskette, die übrigens vom Steinkohlenwerk Zwickau stammt, offenbarte dabei, dass sie das letzte mal im Jahr 1987 benutzt wurde.


Das Terminal lädt seine Software...

Die erste echte Bildschirmausgabe seit 30 Jahren!

Seltsam war, dass sich bei Auftreten eines Fehler der Rechner zunächst sperrte und wir da nicht wieder raus kamen. Es bedurfte wieder einer längeren Tüftelei um herauszufinden, dass das K8913 eine ganz spezielle Variante der Tastatur K7634 haben möchte.

Nun konnten wir endlich unsere Disketten untersuchen. Wenngleich wir nur von einer booten können, können wir doch die Programme von allen starten.


Systemsoftware

Systemsoftware (Disketteninhalt)

Anwendersoftware

Anwendersoftware

Systemprotokoll auf dem Drucker

Ausgedruckter Disketteninhalt

Wir fanden sogar, ziemlich versteckt im System, zwei Computerspiele:


Ein einfaches Spiel: Hindernisfahren auf rollender Straße.
### sind die Hindernisse, *** ist das steuerbare Auto

Noch ein Spiel: Reaktionstest.


Doch damit ist das Projekt noch lange nicht beendet. Als nächstes ging es darum, die Magnetbandausgabe anzusprechen, leider stellte die sich einfach tot. Dass das Laufwerk funktioniert, war inzwischen sichergestellt: blieben also der Magnetbandcontroller und sein Rechnersubsystem. Ein baugleiches Subsystem ist zwar auch in der Magnetbandvariante des A5130 verbaut, doch so ein Rechner stand uns nicht zur Verfügung. Also blieb nur der mühsame Weg, alle Fehler per Messung zu ermitteln: wir tauschen mehrere defekte Schaltkreise.


Untersuchung des Magnetband-Subsystems per BDE

Eine defekte AMB-Leiterplatte wird repariert

Und noch eine defekte Leiterplatte

Im Jahr 2023 gab es zunehmend Erwärmungsprobleme mit der Prozessorkarte des Leitrechners. Letztendlich habe wir die Karte ersetzt, damit funktioniert die Anlage wieder grundlegend.

*** Wird fortgesetzt ***


Danksagungen





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