Computer OPREMA

(OPREMA=Optische Rechenmaschine)
Die OPREMA wurde 1954/55 bei Carl Zeiss Jena (CZJ) entwickelt und war der erste in der DDR gebaute programmierbare Rechenautomat. Warum gerade dort, erklärt sich aus der Vorgeschichte. Carl Zeiss war weltberühmt durch die hohe Präzision seiner optischen Erzeugnisse. Um diese zu erreichen und auch bei neuen Produkten aufrecht zu erhalten, war stets ein erheblicher Aufwand an (ziemlich stumpfsinniger) Rechenarbeit nötig. Diese wurde durch Heerscharen von "Rechnern" (das war damals eine Berufsbezeichnung, etwa vergleichbar mit Laboranten in der chemischen Industrie) mit Tischrechenmaschinen aufgebracht. In der Hauptsache ging es darum, den Verlauf vieler einzelner Lichtstrahlen beim Durchgang durch ein Linsensystem, also die Lichtbrechung an den einzelnen Grenzflächen, nach den Gesetzen der geometrischen Optik durchzurechnen, eine Sisyphusarbeit. Am Ende des Krieges wurde Jena zunächst von den Amerikanern besetzt. Diese interessierten sich vor allem für militärisch verwendbare Geräte, wie Feuerleitsysteme u.dgl., und nahmen bei ihrem Abzug technische Unterlagen mitsamt den zugehörigen Wissensträgern mit. Kurz danach tat dann die Sowjetarmee das übrige. 1946 wurden über 200 "Spezialisten" aus dem Zeiss-Werk für mehrere Jahre Arbeitsaufenthalt in der Sowjetunion verpflichtet. Die meisten kehrten erst im Herbst 1953 zurück, darunter auch Herbert Kortum, Wilhelm Kämmerer und Fritz Straube, die späteren Konstrukteure und Erbauer der OPREMA.

In dieser Zeit von allgemeinem Personal- und Materialmangel und wirtschaftlichem Chaos entstand mit den ersten Computern auch die Idee, solche auch für die o.g. Rechenarbeiten einzusetzen. Bei Zeiss hatte es auch schon Vorarbeiten gegeben, dies analog zu lösen, sie versprachen aber keinen Erfolg. So begann der damalige Entwicklungsleiter, Herbert Kortum, den Entwurf eines speziell für die Optikrechnungen zugeschnittenen Computers zu erarbeiten. Und als er zusammen mit dem Werkleiter im Mai 1954 zu einem "Anschiss" wegen schlechter Planerfüllung beim zuständigen Minister Heinrich Rau vorgeladen war, konnte er tatsächlich diesen (der eher als Hardliner bekannt war) überzeugen, 1 Mio. DDR-Mark aus einem Rationalisierungsfonds locker zu machen. Allerdings mit der Verpflichtung, das Gerät bis zum Jahresende fertigzustellen: Es blieben also nur 7½ Monate.


Relaiscomputer OPREMA

In Jena wurde deshalb sofort mit der Arbeit begonnen. Zunächst in einem kleinen Kollektiv, das aber zuletzt bis auf ca. 260 Beteiligte anwuchs. Zunächst war zu entscheiden, auf welcher Basis die Maschine zu bauen war: Schließlich entschied man sich für Relais, denn Geschwindigkeit war nicht die Hauptforderung (schneller als die Handrechenmaschine waren sie allemal). Und zu b) war schon bekannt, dass die gefürchteten Frühausfälle durch Funkenerosion beim Schaltvorgang entstanden und somit durch Schalten ohne Strombelastung vermieden werden konnten. Stromlos vertrugen sie bis zu 1 Mrd. Schaltungen ohne sichtbare Schäden. Dauerversuche bestätigten das.

Die Wahl fiel auf ein selbsthaltendes polarisiertes Relais aus der Fernschreibtechnik mit nur einem Wechselkontakt, aber drei galvanisch getrennten Spulen von je 1200 Ohm (5700 Windungen). Von den zwei gleichwertigen stabilen Stellungen wurde willkürlich eine als "Ein", die andere als "Aus" deklariert.


Polarisiertes Relais

Im Jahr 1955 war der Rechner pünktlich fertig. Die Grundfläche der Anlage betrug 55 m² und beinhalte zwei unabhängige Rechner, denn man traute den Rechenergebnissen nicht recht und wollte eventuelle Rechenfehler durch Abweichungen der Ergebnisse der beiden parallel rechnenden Einheiten feststellen. Letztendlich stellte sich heraus, dass beide Rechnerhälften zuverlässig liefen, sodass man beide auch unabhängig voneinander einsetzen konnte.

Um jeden der beiden Bedientische war der Rechner als U-förmige Schrankreihe aufgebaut. Die Relais saßen außen an den Schrankwänden, die Verdrahtung war im Schrankinneren, tunnelartig über eine Tür begehbar. Letztendlich wurden 16626 Relais, verteilt auf beide Einheiten, verbaut. Weiterhin 90.000 kleine Selengleichrichter sowie 500 km Verkabelung, meist in Form von Kabelbäumen, verbunden durch ca. 1 Million Lötstellen.


Zwei Mitarbeiter im Inneren der OPREMA

Arbeit an der OPREMA

Der OPREMA übernahm leistungsmäßig die Arbeit von 120 Menschen, die daraufhin an anderen Stellen des Betriebes eingesetzt werden konnten.

Das Schalten aller Relais im stromlosen Zustand wurde durch ein trickreiches Schema erreicht, das hier nur angedeutet werden kann:
  1. Die Betriebsspannung wurde nicht kontinuierlich zugeführt, sondern in Form dreier um je 60 Grad versetzter Impulsfolgen, die mit I, II und III bezeichnet wurden.
  2. Jedes Relais wurde eindeutig einer von drei Gruppen (1, 2, 3) zugeordnet.
  3. Spulen Gruppe 1 lagen an Impuls I, Kontakte an II,
    Spulen Gruppe 2 lagen an Impuls II, Kontakte an III,
    Spulen Gruppe 3 lagen an Impuls III, Kontakte an I,
    zyklisch weiter wie oben ...
Durch geeignete Zusammenschaltung beliebig vieler Relais entstand eine sog. Führungskette, die eine Art Welle mit jedem Taktimpuls schrittweise durch das ganze System laufen ließ und jeweils ein Glied kontaktseitig stromlos schaltete. Die Spulen dieses Relais hatten aber gerade Strom und führten ihren Schaltvorgang aus. Dieser ging natürlich zunächst ins Leere und wurde erst im nächsten Taktschritt wirksam. Jedes Kettenglied steuerte dann auch noch jeweils über ein Pufferrelais die Relais für die eigentlichen Rechenvorgänge. An den Kontakt dieses Puffers konnten parallel bis zu 40 Erreger- oder Löschspulen weiterer Relais angeschlossen sein (diese leisteten die eigentliche Rechenarbeit parallel für alle acht Dezimalstellen).

Die Taktimpulse wurden mechanisch von einer mit 25 U/s per Motor angetriebenen Nockenwelle erzeugt. Dieses waren die einzigen Kontakte, die zwangsläufig unter Strom schalten mussten. Das war aber kein Problem, da es nur wenige waren und ggf. ausgetauscht werden konnten.


Impulsgenerator der OPREMA

OPREMA-Impulsfolge

Die Programmierung der OPREMA erfolgte ähnlich wie bei den Tabelliermaschinen über Stecktafeln. Es standen 300 Befehlszeilen zu 27 Bit (Dreiadressbefehle) zur Verfügung. Der Befehlsvorrat umfasste neben den vier Grundrechenarten (alle auf Additionen zurückgeführt), Transporten, bedingten und unbedingten Sprüngen auch das Radizieren.


OPREMA-Programmiertafel

Gerechnet wurde im Gleitkomma, 8 Dezimalstellen, Exponenten von -15 bis +15. Intern wurde ein modifizierter BCD-Code benutzt, dessen Erfinder den sinnigen Namen STIBITZ trägt: In der Folge der 16 möglichen Tetraden (0000..1111) "stibitzte" er die ersten und die letzten drei und ordnete sie den Pseudoziffern zu. Die restlichen (0011..1100) standen dann für die Ziffern (0..9), ihr dualer Wert war also um 3 größer als bei direkter Verschlüsselung ("Excess-3-Code").

Einige Rechenzeiten: Nachfolger des OPREMA war der ZRA1, vom selben Entwicklerteam entworfen.
Vom OPREMA wurden nur die eine Doppelmaschine gebaut, die leider die Zeiten nicht überdauert hat.


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