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16.07.2008, 10:42 Uhr
P.S.
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...nun muss ich doch nochmal meinen "Senf" dazugeben. Die Einführung des Farbfernsehens zum 20.Jahrestag der DDR war eine politische Entscheidung und dementsprechend eine Staatsplanaufgabe mit sehr hoher Priorität. Dreh- und Angelpunkt war die Verfügbarkeit von Farbbildröhren. Das WFB hatte bereits Ende der 50er/Anfang der 60er eine Entwicklung hochmoderner 110°-Farbbildröhren durchgeführt, deren Überführung in die Massenproduktion aber erheblicher (NSW-)Mittel für Produktionseinrichtungen bedurfte. Die Prioritäten waren damals unter Ulbrichts Regim anders gesetzt: Schwerindustrie und Chemie - den Konsumgüter-Boom gab's dann erst unter Honnecker Anfang der 70er. Das WBF bekam die Mittel nicht und es wurde die berühmt-berüchtigte Entscheidung getroffen, 90°-Farbbbildröhren in nicht ganz moderner Lochmaskentechnik in sehr großen Stückzahlen aus der UdSSR zu importieren. Viele davon waren allerdings auch für die niedrigen DDR-Qualitätsansprüche nicht brauchbar, sie wurden einfach in leerstehende Schächte der Kali-Bergbaus in der Nähe von Staßfurt gekippt. Bezahlt werden mußten sie trotzdem - so waren die Lieferverträge.
Warum eine volltransistorisierte Variante? (mal abgesehen von den HS-Gleichrichterröhren EY51, die schon geplant bald durch Selenstäbe ersetzt wurden.) Farbfernsehempfänger auf Röhrenbasis - und solche gab's bereits seit einiger Zeit im Westen - brauchten für ihren Betrieb ca. 400-500W, eine Leistung, welche - wenn man das auf die DDR-Bevölkerung hochrechnet - die schon immer sehr knappen Kapazitäten der DDR-Kraftwerke gesprengt hätte. Der Color 20 hatte einen Energiebedarf von nur 160W, also eine ähnliche Größenordnung, wie bei den herkömmlichen SW-Empfängern. Außerdem wollte man zeigen, daß die DDR mit diesem Produkt wieder den "technisch-wissenschaftlichen Welthöchststand mitbestimmt". Die Entwicklung wurde unter strengster Geheimhaltung im ZRF Dresden durchgeführt, in "sozialistischer Gemeinschaftsarbeit mit dem FSGW Staßfurt", wie es hieß. Chefentwickler war dort Horst Schlesier. Die Realität sah etwas anders aus. Die Staßfurter hatten bei der Produktionseinführung erhebliche Probleme und daß wirkte sich sehr negativ auf die produzierbaren Stückzahlen aus, d.h. die Plankennziffern wurden nicht erreicht. Um den Bevölkerungsbedarf auch nur annähernd zu decken, wurden FFSG aus der SU importiert. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an die im wahrsten Sinne das Wortes zentnerscheren Russenkisten "Rubin" (vollständig auf Röhrenbasis) und "Raduga" (teiltransitorisiert und schon mit Hybrid-IC's). Im Color 20 wurde in der VK-Endstufe ein GE-Leistungstransistor ASZ 1015 aus Ungarn eingesetzt. Die DDR-Leistungstransistoren der GD-Reihe (und nur diese hatten wir damals) waren hier zu leistungsschwach. Schwieriger war das Problem bei der HK-Endstufe zu lösen. Hier mußte der Leistungstransistor auch noch schnell genug sein, die im Vergleich zur VK wesentlich steileren Impulse verlustarm erzeugen zu können. Glücklicherweise gab es in der CSSR bei TESLA gerade zu diesem Zeitpunkt eine Entwicklung moderner Si-Leistungstransitoren, bei der durch Selektion solche BE herauskamen. Als HK-Endstufe wurde der Typ KU608 eingesetzt. Im Gegensatz zur Röhrenkonzeption wurde hier HK und und Hochspannungserzeugung getrennt. Die Hochspannungserzeugung (25kV) erfolgte mit einem Gegentakt-Transverter mit 2x KU606, ebenfalls aus der CSSR. Da es sich beim Color 20 um ein sog. Niederspannungs-Konzept handelte, gab es auch einen entsprechend großen Netztrafo mit elektronischer Spannungsstabilisierung. Die hierbei eingesetzten Leistungstransitoren waren aus dem GDxxx-Sortiment der DDR. Das größere Problem war hierbei der Netztrafo - nicht so sehr aus technischer Sicht. Aber Wickelgüter dieser Stückzahl-Dimension bereiteten den Material-Ökonomem wegen des immer knappen Kupfer-Aufkommens arge Kopfschmerzen. Alle weiteren Halbleiter-BE waren (zunächst) aus der DDR. Aus der UdSSR wurden außer der Bildröhre anfangs keine weiteren aktiven BE eingesetzt, was allerdings nicht hieß, daß im Rahmen der Ge-Ablösung (im HFO wurde die Produktion nach und nach auf moderne Si-Transistoren umgestellt) nicht diese oder jenes SU-BE den Weg in den Color 20 und dessen Nachfolger Color 21 usw. fand.
@radioreinhard Es ist eine Mähr, daß die Russen bestimmten, wo und was in den DDR-Betrieben gebaut werden sollte. Denen war das so ziemlich egal, denn die waren in allem autark, d.h. sie machten alles und jedes selbst, um völlig unabhängig von ihren "Roten Brüdern" und den Rest der Welt zu sein. Im Gegenteil - hier in der DDR wurde seitens der eigenen Industrie immer lauter nach modernsten HL-BE geschrien, für die einfach keine Kapazitäten da waren, ohne sich von "Altlasten" zu trennen. Es waren ja nicht nur die Produktionseinrichtungen, auch die mußten irgendwo aufgestellt werden und von irgendwelchen (qualifizierten) Leuten bedient werden. Gerade bei den Werktätigen für die Produktion gab es immer Defizite. Warum wurden denn in großem Stil AK aus Polen (HFO), Vietnam, Mosambik, Chile (FWE?) und weitere AK aus "befreudeten" Staaten eingesetzt? Es blieb den DDR-Wirtschaftstrategen nichts weiter übrig, als auslaufende Produktion auszulagern, z.B. FWE -> Mühlhausen und von dort nach Polen. Oder durch Spezialisierungsverträge mit anderen RGW-Staaten den langfristig noch zu erwartenden Bedarf zu sichern. Daß der Spezialisierungswahn dann ins Gegenteil umschlug und ganze Produktionszweige aus dem DDR-Sortiment verschwanden, hatte jedoch auch verheerende Folgen. Man denke nur an die "wegspezialisierte" Oszillograpfen-Produktion der OG...-Reihe beim MEB. Was nützt dann eine Oszi-Röhren-Produktion im FWE, wenn keine Abnehmer mehr im eigenen Land da sind und nur für den Export zu arbeiten war und ist unwirtschaftlich.
Das Wissen der Menschheit gehört allen Menschen! - Wissen ist Macht, wer glaubt, der weis nichts! - Unwissenheit schützt vor Strafe nicht ! - Gegen die Ausgrenzung von Unwissenden und für ein liberalisiertes Urheberrecht! PS |