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22.08.2025, 09:19 Uhr
AE
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. Zur Funktion der Fliehkraft-Bremse an einer Mercedes-Schreibmaschine . Da sich offensichtlich bis an diese Stelle im rt-Forum kein noch ausgebildeter Büromaschinen-Mechaniker verirrt hat und die oft vieles Wissenden scheinbar wichtigeres zu tun haben, als hier ihre Kenntnisse darzulegen, bleibt es mir überlassen, das "Rätsel" um die Mercedes Fliehkraft-Bremse zu lösen: . Bis in die 1960er Jahre wurden bei (elektro-) mechanischen Büromaschinen wichtige Funktionen mittels Metallfedern realisiert. Speziell bei den Schreibmaschinen erfolgte der Transport des Papierwagens (-schlittens) während des Schreibens meist durch eine gekappselte Spiralfeder über ein Zugseil (-band). Bei der händischen oder motorgetriebenen Rechts-Verschiebung des Wagens wird diese gespannt. Ein Schritt-Schaltwerk, analog der Hemmung einer mechanischen Uhr, sorgt dafür, daß nach jedem Schreib-Tastendruck der Papierwagen durch die Feder auf die nächste Position gezogen wird. Das muß schnell geschehen, bevor die folgende Taste angeschlagen wird. Bei 80 Schreibpositionen (üblich für Papierbögen A4 hochkant) muß die Feder dafür kräftig genug und der Federweg ausreichend lang sein. Zur Anfertigung von Tabellen. Aufstellungen, Rechnungen usw. wurden Schreibmaschinen und Fakturiermaschinen (Diese werden oft als rechnende Schreibmaschinen bezeichnet, die zusätzlich Zeilen- oder Spaltensummen (-salden) bilden und ausdrucken können) mit Tabulier-Einrichtungen ausgestattet. Bei Betätigung der Tabulator-Taste wird der Papierwagen entriegelt und unter Umgehung des Schritt-Schaltwerks von der Feder direkt auf die durch einen Tab gekennzeichnete Stellung als Anschlag gezogen. Aufprall. Mit jeder dabei übersprungenen Position vergrößert sich die von der Feder auf den Wagen übertragene Energie nahezu proportional (bei 10 Leerschritten fast auf das Zehnfache!). Das ergibt dann heftige Schläge auf den Tab. (Der Papierwagen einer Mercedes-Schreibmaschine Modell 3 wiegt 3,3 kg! Hergestellt ab 1911) Genau hier setzt die Funktion der Fliehkraft-Bremse an: Die Bewegung des Papierwagens wird durch ein größeres Zahnrad von der Schritt-Zahnstange abgegriffen und auf das Ritzel der Fliehkraft-Bremse übertragen. Entsprechend den Zähnezahlen findet dabei eine Erhöhung der Drehzahl und somit der Fliehkraft statt. Womit auch die Bremswirkung zunimmt. Im konstruktiv zu erreichenden Idealfall kann so die Geschwindigkeit und die damit verbundene Aufprall-Energie des Papierwagens bei Tabulierung auf ein für die Maschine erträgliches Maß begrenzt werden. Die Fliehkraft-Bremse ist bei normaler Schreibarbeit unwirksam. Sie wird erst bei Betätigung der Tabulator-Taste zusammen mit der Entriegelung des Papierwagens eingekuppelt. . Carl Schlüns (1870-1936) war ab Modell 2 Chefkonstrukteur der Mercedes Schreibmaschinen. Ob er sich die vorstehend skizzierte Lösung einer Tabulier-Einrichtung mit Fliehkraft-Bremse auch patentieren ließ, recherchierte ich nicht. Auf jeden Fall realisierte er sie auch an der ersten serienmäßig hergestellten, elektrischen Schreibmaschine, Mecedes Elektra (produziert ab 1921) und der darauf aufbauenden, rechnenden Schreibmaschine, Mercedes Addelektra (ab 1924). . Hier das Schritt-Schaltwerk mit links daneben befindlicher Fliehkraft-Bremse bei einer Mercedes Elektra: . http://farm7.static.flickr.com/6170/6202357341_7266653d7c.jpg . Dieser Beitrag wurde am 22.08.2025 um 09:32 Uhr von AE editiert. |