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Robotrontechnik-Forum » Mechanische Bürotechnik » Rettung einer Hamann Selecta » Themenansicht

Autor Thread - Seiten: -1-
000
26.07.2023, 08:28 Uhr
AE
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Eine Hamann Selecta gerettet
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Bei der Restauflösung einer Magdeburger Büromaschinenwerkstatt konnten u.a. diese ca. 20 kg Rechenpower vor der Verschrottung bewahrt werden. In den 1930er und 40er Jahren wurden nur relativ wenige Exemplare des Typs "Hamann Selecta" in der Deutsche Telefonwerke und Kabelindustrie AG Berlin (DeTeWe) hergestellt. Da verwundert es, daß ein Exemplar im VEB Wohnungsbaukombinat Magdeburg noch bis in die 1970er Jahre genutzt wurde. Danach kam es wahrscheinlich ins "Sammellager" der Büromaschinenwerkstatt.
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Beim Aufnehmen von Dokumentationsfotos des Eingangszustands erbarmte ich mich ihrer. Ich konnte sie nicht einfach so wieder einlagern. Von Neugier getrieben wollte ich natürlich auch die rechentechnische Situation erkunden: Sie war rappelfest, kaum etwas lies sich bewegen.
Nach dem das Gehäuse aus Stahlblech-Streifen und Hartpappe (!) abgeschraubt war kam das mechanische "Meisterwerk" des Berliner Ingenieurs Christel Hamann , dem Erfinder und Konstrukteur auch des Proportionalhebel-Eingabewerks der Euklid-Rechenmaschinen, zum Vorschein. Hier hatte er das ebenfalls von ihm entwickelte und patentierte Eingabewerk nach dem Schaltklinken-Prinzip mit zwei Volltastaturen für die Operanden kombiniert. Nach Auswahl der mathematischen Funktion mittels Einstellhebeln und Betätigen der großflächigen Start-Taste läuft der Rechenvorgang von einem Elektromotor getrieben automatisch ab. Das Ergebnis ist dem Resultatswerk-Schlitten zu entnehmen. (Dieser ist weitgehend identisch mit dem aus einer Manus-Rechenmaschine.) Das entsprechend der Seriennummer eigentlich an der Vorderseite anzubauende zusätzliche Speicherwerk zur Bildung einer Gesamt- oder Produktsumme ist nicht mehr vorhanden.
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Die Rechenmaschine ist fest, das Steuergetriebe befindet sich nicht in der Grundstellung und der Antriebsmotor ist eingeschaltet. In einer solchen Situation verbietet sich natürlich ein elektrischer Anschluß. (Mal abgesehen davon sollte heute der Betrieb einer alten Rechenmaschine sowieso über einen Trennstelltrafo erfolgen. Denn obwohl der Universal-Elektromotor über eine Programmierung der Eingangsspannung sowie Stromart verfügt und ein Schutzkontakt-Anschluß vorhanden ist, entspricht die Elektroausrüstung auf keinen Fall heutigen Normen. Sie verfügt über keinerlei Funken-Entstörung. Der "Scheibenwischer"-Kontakt liegt ungeschützt frei im Inneren des Metallgehäuses der Rechenmaschine. Auch kannte man vor 90 Jahren noch nicht die heute üblichen 240 V~ ...)
Leider hat eine (elektro-)mechanische Rechenmaschine keinen 'reset'-Knopf. D.h., man muß die Ursache einer Blockade selber suchen, beseitigen und sie dann in einen Grundzustand versetzen.
Nach Abnahme der Stahlfeder-Riemen zwischen Motor und Eingabewerks-Walze sowie Ausbau der Pleuelstangen vom Kurbeltrieb für die Verschiebung des Resultatswerk-Schlittens ließ sich der Motor leicht gängig drehen. Dabei bleibt die Kupplung zwischen dem Motor und das dem Kurbeltrieb vorgelagerte Schneckengetriebe eingerastet und der Motor weiterhin eingeschaltet.
Nach einem Ausrichten der Übertragungszahnräder zwischen Eingabewerk und Umdrehungszählwerk bzw. Resultatswerk (eigentlich sollte das durch die konstruktive Ausführung stets gewährleistet sein) ließ sich auch der Resultatswerk-Schlitten mit der Hand bewegen. Doch wider Erwarten rastete er in keiner Stellung ein, sondern bewegte sich durch kräftige Federn gezogen an den rechten Anschlag, was wahrscheinlich keine Grundposition darstellt. Auch das manuelle Drehen der Eingabewerks-Walze (die zugehörige Kurbel ist nicht vorhanden) war möglich, brachte jedoch keine sichtbare Veränderung der Situation ...
Hat jemand hilfreiche Kenntnisse und gibt sie weiter?
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Da die Tastenspalten nun mal ausgebaut waren, wurden die Tastenköpfe natürlich auch gleich mit einer Industrie-Seifenlösung gereinigt. Hierbei wurden die Kunststoffteile nach unten gehalten, so daß möglichst wenig Wasser an die aus preußischer Sparsamkeit oder der Vorkriegssituation geschuldet (?) vielen ungeschützten Eisenblech-Teile gelangte. Nach der obligaten Sonnentrocknung erhielten sie selbstverständlich wieder einen Ölüberzug.
Es ist stets verblüffend, mit wie wenig und vor allem gestanzten sowie gepreßten Einzelteilen Hamann funktionierende und relativ leicht zu montierende Tastaturen konstruieren konnte. (Hier befindet sich eine für die Funktion erforderliche Feder erst im nachfolgenden Übertragungsgestänge. Das erschwert eine Erprobung im ausgebauten Zustand.) Man vergleiche dazu Tastaturen aus Archimedes- oder Rheinmetall-Rechenmaschinen ...
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Eigentlich war ja nur vorgesehen, die äußere Hülle der Selecta zu reinigen. Das erfolgte mit der Seifen-Lösung, die die Jahrzehnte alte Öl- und Fettschicht samt anhaftenden Schmutz schonend anlöst und entfernt. Danach wurde ausgiebig mit technisch reinem Wasser gespült. Eine kräftige Sommersonne sorgte dafür, daß eventuelle Wasserreste schnell abdampften und sich so keine Korrosion am frei liegenden Eisen bildet konnte. Danach wurden diese Lackschäden gleich wieder mit einer schützenden frischen Ölschicht versehen. Durch diese Behandlung trat der originale Schrumpf-Lack wieder flächig hervor. Auch die Beschriftung war noch in großen Teilen vorhanden.
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In diesem Zustand wurde die Hamann-Selecta mit der Seriennummer 4520SP mit gutem Gewissen ins Lager geschafft und steht für Ausstellungszwecke bereit (auch wenn sie noch nicht in Funktion vorgeführt werden kann).
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Dieser Beitrag wurde am 27.07.2023 um 15:58 Uhr von AE editiert.
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001
27.07.2023, 16:02 Uhr
AE
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Ob des nieder schmetternden Echos will ich nochmal nachlegen:
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"Man muß den Nippel erst durch die Lasche zieh'n,
dann mit der kleinen Kurbel ganz nach oben dreh'n ...

dann geht die alte Hamann wie von selbst ?
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Dieser Beitrag wurde am 27.07.2023 um 16:03 Uhr von AE editiert.
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002
27.07.2023, 16:15 Uhr
Rüdiger
Administrator



Zitat:
AE schrieb
Ob des nieder schmetternden Echos will ich nochmal nachlegen:



Mechanische Maschinen sind nun mal langsam. Genauso wie ihre Besitzer.
Schön jedenfalls, dass Du die Maschine gerettet hast.
--
Kernel panic: Out of swap space.
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003
04.08.2023, 16:27 Uhr
tilobyte



Ich kenne mich mit solchen Geräten überhaupt nicht aus, finde es aber faszinierend. Da hast du wirklich ein interessantes anzuschauendes, schönes Stück Technik gerettet und optisch wieder sehr gut hinbekommen.

Schreib doch mal, wenn man das Gerät in freier Wildbahn irgendwo sehen kann.
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004
22.08.2023, 17:43 Uhr
ThoKir



Hallo,
wunderschöne Arbeit!

Ich habe vor einigen Monaten genau solch eine Maschine wieder zum Laufen gebracht:
Siehe hier.

Das hat allerdings Wochen gedauert und ein paar mehr graue Haare gemacht. Die Zehnerüberträge der Haupttrommel waren völlig dejustiert und die zu zerlegen ist ein Alptraum (das haben auch erfahrene Büromaschinenmechaniker ungerne gemacht und die Maschinen ggf. lieber zur Reparatur zum Hersteller geschickt).

Ggf. kann man sich ja mal zusammen auf Fehlersuche begeben...?
Kontakt: siehe dort im Impressum!

Liebe Grüße,
Th.K.
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005
22.08.2023, 18:08 Uhr
Rolli



Hallo Thokir,

eine tolle Sammlung!
Wenn du ein fan von Nixieröhren bist, fehlt dir noch ein ETR220. Auch sein Nachfolger, der TR20, würde sich in der Sammlung gut machen.

Gruß Rolf
--
Wer Phantasie hat, ist noch lange kein Phantast
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006
22.08.2023, 19:45 Uhr
Bert



Bei einer solchen Mechanik schaue ich immer 'wie die Sau ins Uhrwerk' und denke mir: Wer konnte sich sowas ausdenken...

Grüße,
Bert
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