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Robotrontechnik-Forum » Technische Diskussionen » TESLA-MR-Taschenrechner » Themenansicht

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15.01.2020, 18:37 Uhr
AE
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Zur Stromversorgung bei einigen TESLA-MR-Taschenrechnern

(Ein bearbeiteter Auszug aus der unveröffentlichten
"Dokumentation zu den in der DDR hergestellten Taschenrechnern")
Ich freue mich auf sachdienliche Hinweise oder Ergänzungen.


Nach dem im Jahr 1982 die technologischen Linien zur Herstellung der CMOS-Taschenrechner-Schaltkreise im VEB Halbleiterwerk Frankfurt/Oder (HFO), der Flüssigkristall-Anzeigen im VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin (WF) und der Leiterkarten im VEB Kontaktelemente und Spezialmaschinenbau Gornsdorf (KSG) in Dauerbetrieb gingen, wurde es auch möglich, in unserem Nachbarland CSSR moderne elektronische Taschenrechner anzubieten. Diese wurden in Zusammenarbeit des VEB Mikroelektronik Mühlhausen mit der Firma TESLA Vrchlabi n.p. hergestellt (n.p. ist die tschechische Entsprechung zu VEB). Dabei wurden augenscheinlich die Leiterkarten in Mühlhausen bestückt. Auch die gesamte Vorderseite mit den Tasten scheint dort hergestellt worden zu sein. (Bisher gelang es nicht, Belege oder Aussagen von ehemaligen, dafür verantwortlich Personen zu erhalten, die konkrete Auskunft über diese Zusammenarbeit geben.) In Vrchlabi wurden die Taschenrechner mit der Rückwand komplettiert und die tschechische Bedienungsanleitung, die Garantieurkunde sowie die Verpackung ergänzt.
Für die Typen MR 411, MR 413, MR 609, MR 610 und OKU 109 (ist bis auf den Aufdruck gleich dem MR 412) wurde von den TESLA-Ingenieuren eine Rückwand gewählt, die Platz für den Einsatz von zwei Mignonzellen anstelle der Knopfzellen bot. Diese Variante war in Mühlhausen in Vorbereitung des Einsatzes des MR 609 als Schulrechner SR 1 bereits entwickelt und untersucht worden. Ab der Version "01 02 03" enthielt die dafür geänderte Leiterkarte 4484.978-02902 die entsprechenden Leiterzüge und Lötaugen.



Doch diese Stromversorgungslösung gab es bereits in japanischen Taschenrechnern (z.B. im Jahr 1979 beim Canon LC-8M). Mitte der 1970er Jahre brauchten die Flüssigkristall-Anzeigen noch Betriebsspannungen > 3 V. So waren in den Rechnern dafür noch Transverter vorhanden. Doch die technische Entwicklung ging weiter und man kam für CMOS-Schaltkreis und LCD mit 3 V aus. Der Stromverbrauch war so gering, das bereits Knopfzellen einen Betrieb über mehr als 1000 Stunden garantierten. International hatte sich damit diese Lösung erübrigt. (Für die in Frankfurt/Oder hergestellten CMOS-Taschenrechner-Schaltkreise war die Leistungsaufnahme angegeben mit: U824/U826 - 500 µW, U825/U827 - 60 µW .)
In der DDR wurde im Zusammenhang mit der Herstellung der Taschenrechner der zweiten Generation auch mit der Produktion von Knopfzellen (LR44) begonnen. Diese waren für hiesige Verhältnisse jedoch teuer (1987: 11 M für zwei), deshalb die Überlegung bzgl. der Verwendung von Mignonzellen (R6, AA). Zum Einsatz kam diese Stromversorgungslösung in den Modellen MR 4110 und MR 4130, kleine Pult-Tischrechner mit Uhren-, Wecker- und Stoppuhrfunktion. Für am Anfang der 1980er Jahre in der DDR gehandelte auslaufsichere Kohle-Zink-Elemente ergab sich rechnerisch im Uhrenmodus eine Dauerbetriebszeit größer 35 000 Stunden (ca. 4 Jahre). Für damals in der DDR nicht handelsübliche Alkali-Mangan-Zellen kommt man auf Einsatzzeiten größer 10 Jahre! D.h. die Batterielebensdauer wurde mehr durch die Selbstentladung als durch ihre energetische Nutzung bestimmt. Oder anders ausgedrückt, die Batterie verrottet eher, als daß sie entladen wird. Deshalb ist ihre Auslaufsicherheit wirklich wichtig.



MOS-Schaltkreise arbeiten spannungsgesteuert. Daraus folgt eine hohe (Über-)Spannungsempfindlichkeit. Das gilt auch speziell für die in Taschenrechnern eingesetzten CMOS-Schaltkreise. Diese sind noch dazu für geringe Betriebsspannungen ausgelegt. Für die in den DDR-Taschenrechnern verwendeten CMOS-Schaltkreise war eine maximale Versorgungsspannung von 3,5 V im Typstandard festgelegt. Bei der Verwendung von zwei Mignonzellen zur Spannungsversorgung in den Modellen MR 4110/4130 wurden deshalb von den Mühlhäuser Ingenieuren zur Einhaltung der maximalen Versorgungsspannung zwei in Reihe geschaltete LED, eine rote und eine grüne, parallel zu den zwei Primärzellen angeordnet. Zusätzlich liegt in der positiven Zuleitung ein Reihenwiderstand von 3,3 kOhm. Für eine typische rote LED erreicht der Durchlaßstrom bei ca. 1,5 V 1 mA (nachgelesen und selbst ausgemessen bei der im MR 4110 verwendeten VQA 15). Für kleinere Spannungen fällt der Strom schnell unter 10 µA. Für die grüne VQA 25 gilt das bei ca. 1,8 V. Für die Reihenschaltung der beiden LEDs fließt also unter 3,1 V praktisch nur ein Strom im Bereich der Selbstentladung der Primärzellen.
Neue leak-proof-Zellen oder Alkali-Mangan-Zellen können im Leerlauf (Die Belastung im Taschenrechnern mit CMOS-Schaltkreis und LCD stellt für Mignonzellen praktisch Leerlauf dar.) eine Klemmenspannung bis zu 1,8 V erreichen. Die beiden LEDs bauen diese Überspannung ab. Der dadurch verursachte Kapazitätsverlust der Batterie liegt im einstelligen Prozentbereich.



Die TESLA-Ingenieure wandelten diese Schutzschaltung nun etwas ab: Sie platzierten zwei rote LEDs und einen Reihenwiderstand von 680 Ohm in der Rückwand an der Aufnahme der Mignonzellen. Durch den Einsatz zweier roter LEDs fließt bereits bei 3 V durch diese ungefähr doppelt soviel Strom wie für den eigentlichen Taschenrechner, d.h. mehr als 70 % der Batteriekapazität werden "abgefackelt". Die Schutzschaltung ist zweifelsohne wirksam, doch eine großartige Ingenieursleistung ist das nicht. (In internationalen Taschenrechnern fand ich eine Schutzschaltung mit LEDs bisher ausschließlich bei einer Speisung mit Solarzellen. Dort ist die Anzahl der Zellen deutlich überdimensioniert, um auch bei geringer Beleuchtungsstärke noch eine Funktion zu ermöglichen. Die bei normalem und starken Licht dann deutliche Überspannung wird ebenfalls mit LEDs abgestrahlt. In Taschenrechnern mit zu den U82x vergleichbaren Schaltkreisen und einer Spannungsversorgung aus Mignon- oder Microzellen (LR06 bzw. LR03) begnügt man sich mit einem den Strom begrenzenden Reihenwiderstand (z.B. im CASIO FX100.)



Hier noch einige Meßwerte zur Stromaufnahme der DDR-Taschenrechner. (Ich machte mir nicht die Mühe, die in diesen Meßbereichen auftretenden systematischen Fehler zu korrigieren, sondern gebe dafür einen "ingenieurtechnischen" Meßfehler von 5 % an.)



Anmerkung:
Der VEB Röhrenwerk/Mikroelektronik Mühlhausen und der TESLA Vrchlabi n.p. (in Hohenelbe im Riesengebirge) waren bis 1945 beides Elektronenröhrenfabriken der C. Lorenz AG Berlin und arbeiteten auch in den 50er und 60er Jahren zusammen.

Dieser Beitrag wurde am 16.01.2020 um 18:28 Uhr von AE editiert.
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10.02.2020, 18:06 Uhr
AE
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Entsprechenden Hinweisen folgend, möchte ich vorstehenen Beitrag mit einem weiteren Foto ergänzen:



Abgebildet ist links der seit Mitte der 1970er Jahre wahrscheinlich am meisten eingesetzte Schulrecher, ein TI-30 hier in der ersten Version mit CMOS-Taschenrechner-Schaltkreis und achtstelliger Flüssigkristall-Anzeige und einer Huckepack-Stromversorgungslösung mittels 2 AA-Primärzellen.
Rechts ist die TESLA-Variante des MR 609 zu sehen.
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