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Robotrontechnik-Forum » Sonstiges » Zeitzeugen gesucht! Computer in der DDR, wie war das in den 1980ern? » Themenansicht

Autor Thread - Seiten: -1-
000
20.08.2014, 16:19 Uhr
Dani



Hallo,

Mein Name ist Daniela und ich studiere an der Universität Potsdam Geschichte.
Im Rahmen eines Seminars über deutsch- deutsche Gesellschaftsgeschichte habe ich mich mit dem Thema „Wege in die Informationsgesellschaft in Ost und West“ befasst. Sehr überrascht waren meine Kommilitonen und ich über die doch sehr rege Computerszene in der ehemaligen DDR.

Mein Interesse wurde geweckt und ich möchte dieses im Rahmen einer Hausarbeit gerne vertiefen.
In DDR Zeitschriften wie „Jugend + Technik“ und „Funkamateur“ habe ich einige Artikel über Heimcomputer, Kleincomputer, sowie Bauanleitungen für Amateurgeräte gefunden. Auch hat es mir einen Eindruck vermittelt, wie das sozialistische Deutschland mit dem Aufkommen der Mikroelektronik umgegangen ist bzw. mit welchem großen Zuspruch die Ostdeutsche Jugend die neue Computertechnik angenommen hat.

Mich interessiert besonders die Gestaltung des Alttags mit Computertechnik in der DDR, fernab von dem sozialistischen Ideal der Mikroelektronik als „Schlüsselrolle der Volkswirtschaft“
Um ein sehr ausgewogenes Bild über die DDR- Computerszene zu bekommen, möchte ich mich nicht auf die „dem Staat unterstellten“ Medien beziehen, sondern möchte mir gerne über persönliche Berichte aus jener Zeit, ein Bild machen

Ich suche daher Zeitzeugen, die mir aus ihren persönlicher Erfahrungen über den Beginn des Computerzeitalters (als Konsumgut)in der DDR erzählen können.
wie ihre ersten Erfahrungen mit Computern waren.?
Wie sie Gleichgesinnte gesucht haben? Computerclubs? Zeitungsanzeigen?
Haben sie einen eigenen Computer besessen? Gekauft? Selbst gebaut? Durch Westverwandschaft geschenkt bekommen?
Welche Bedeutung/ Einfluss hatten die technischen Errungenschaften aus den USA, Japan?
Welche Bedeutung hatten Computerspiele / Computersport?
Zu welchen Computern hatte man Zugriff? Z1013? KC85 Reihe?/ HC 900/1? …..
Etc.

Ich würde mich sehr über ein „Zeitzeugeninterview“ freuen.
Ob telefonisch, mit skype oder auch für ein persönliches Treffen wäre ich bereit!
Natürlich werden alle persönlichen Daten vertraulich behandelt. Daten , die Rückschluss auf den Interviewten geben könnten werden geändert.

Haben sie interesse oder und Fragen? Dann schreiben sie mir doch eine email für weitere Absprache.

daniela.goetz.1@web.de
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001
21.08.2014, 08:54 Uhr
P.S.



@Dani <000>
Es ist sehr zu begrüßen, dass auch Du Dich mit der "inoffiziellen" Geschichte der DDR-Computertechnik beschäftigen willst. Da wirst Du hier in diesem Forum sehr viele interessante Informationen finden, oder auch auf www.robotron-net.de, sowie auf meiner HP www.ps-blnkd.de. Dort findest Du auch eine Zusammenfassung meiner Beiträge hier auf RT und weitere, sicherlich für Dich auch sehr interessante Geschichten.
Es hat schon eine Vielzahl von jungen Leuten gegeben, die sich mit diesem Thema unvoreingenommen auseinandersetzen wollten, aber dann doch oft an den "Vorgaben" ihrer Profs gescheitert sind, bzw. sich "verbiegen" lassen mussten.

Über einen persönlichen Kontakt würde ich mich sehr freuen...

Das Wissen der Menschheit gehört allen Menschen! -
Wissen ist Macht, wer glaubt, der weis nichts! -
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht! -
Gegen die Ausgrenzung von Unwissenden und für ein liberalisiertes Urheberrecht!
PS
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002
21.08.2014, 18:23 Uhr
KK

Avatar von KK

OK, dann mal meine Geschichte.

Ende 1985 faßte ich den Entschluß, mich mit Computertechnik zu befassen. Da ich für Eigenbau weder das nötige Wissen noch die technischen Voraussetzungen besaß, zog ich mit dem nötigen Bargeld in der Tasche frohen Mutes los, um einen Heimcomputer der KC-Serie oder notfalls einen Z1013 käuflich zu erwerben. Es sollte auf jeden Fall ein Modell sein, auf dem BASIC läuft. Mit Bus und Bahn klapperte ich sämtliche einschlägigen Geschäfte in halb Sachsen ab. Leider Fehlanzeige, nirgendwo vorrätig. Selbst für den Bausatz Z1013 betrug die Vorbestellzeit zu diesem Zeitpunkt ca. ein Jahr. Völlig frustriert besuchte ich zum Schluß den örtlichen A&V-Laden (Secondhand-Shop der DDR), aber auch dort fand sich kein BASIC-taugliches Gerät. Die Dame konnte mir nur einen Lerncomputer LC-80 anbieten. Besser als nichts dachte ich mir und erstand ihn für reichlich 500 Mark der DDR.
Nachdem ich einen Modelleisenbahntrafo zum Netzteil umfunktioniert hatte (ein solches gehörte nicht zum Lieferumfang), war es endlich soweit. Der LC-80 begrüßte mich mit Erkennungsmelodie und Laufschrift. Mich mit den wenigen Tasten vertraut zu machen und das Beispielprogramm aus dem Handbuch abzutippen, gelang mir recht schnell, aber dann war vorerst Ende. Trotz guten Vorkenntnissen in Elektronik hatte ich keinen Plan, was überhaupt in dem Computer abläuft, geschweige denn, wie man ihn sinnvoll programmiert. Google gab es noch nicht und ich kannte auch niemanden, der mir hätte weiterhelfen können. Also blieb nur der Weg zur Buchhandlung. Die Erleuchtung brachte "Mikroprozessortechnik" von Kieser/Meder, wo Aufbau und Arbeitsweise des U880-Systems (DDR-Nachbau des Z80) verständlich beschrieben wurden. Nach einigen Wochen Beschäftigung damit lief das erste selbst erstellte und im Maschinencode eingetippte Programm, auch wenn es nur eine Melodie spielte. Später programmierte ich mir zunächst ein besser benutzbares "Userinterface" und danach auch praktische Anwwendungen wie Lauflichtsteuerungen und einen einstellbaren Zähler für meine Trafowickelmaschine.
Gegen Ende der 80er, muß 88 oder 89 gewesen sein, legte ich mir dann einen nunmehr auch ohne Beziehungen verfügbaren KC85/4 zu. Der eröffnete natürlich um Größenordnung mehr Möglichkeiten. Neben in BASIC programmierten (und deswegen fürchterlich langsamen) "Datenbanken" zur Verwaltung der Tonband-Musiksammlung liefen bei mir auch Spiele drauf, z.B. Pengo, Othello, Go und andere. Kurz nach der Wende nutzte ich die Gelegenheit einer vom Arbeitsamt gesponserten Ausbildung zum "Servicetechniker für PC und Netzwerke", in deren Zuge ich mir einen 286er PC anschaffte und LC/KC in den Schrank stellte, wo sie nur noch gelegentlich aus nostalgischen Gründen hervorgeholt werden.
Rückblickend war die Beschaffungsodyssee in der DDR für mich ein weichenstellender Glücksumstand, auch wenn ich das damals anders sah. Mit Verfügbarkeit eines BASIC-tauglichen Computers hätte ich mich wahrscheinlich nie so tiefgründig mit dem Aufbau und der Funktion der Hardware auseinandergesetzt, wie dies für den LC-80 zwingend erforderlich war. Das erworbene Grundverständnis führte mehr oder weniger direkt zur Wandlung des Hobbys in den Beruf als Computertechniker (oder neudeutsch "Ei-Tie-ler"). Ansonsten würde ich vielleicht immer noch Strippen ziehen oder Lastwagen fahren, wer weiß...
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003
21.08.2014, 21:11 Uhr
Johann



Hallo Daniela,
schau mal auf "http://www.ac1-info.de".
In der Rubrik Galerie haben viele User ihre Erfahrungen mit
dem "Amateurcomputer AC1" ( Selbstbauprojekt der Zeitschrift "Funkamateur" ) dargelegt.
Die Adressen kann ich bei Bedarf vermitteln.

freundliche Grüße aus MD
Johann
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004
22.08.2014, 15:15 Uhr
Gerhard



Hallo Daniela,

Erstens sei gesagt: Ich finde es prima, wenn Jüngere von sich aus, ohne Druck von außen oder "oben", Zugang zu dieser Thematik suchen. In diesem Sinne also Glückwunsch und schon mal ein paar Vorschußlorbeerblättchen.

Und zweitens hier noch ein paar Tipps bzw. Hinweise zu Deinem Vorhaben:
Aus Deinen Zeilen in (000) könnte jemand herauslesen, es ginge Dir nur um das reine Spielen am Computer. Das wäre sicher zu eng. Zwar hat mal in einem Vortrag ein Mitarbeiter des damaligen "Instituts für Jugendforschung" in Leipzig (Mitte der 80er Jahre) von einer Umfrage berichtet, wonach der Computer in der Beliebtheit "noch vor der Disko" rangiert habe. Aber das hat sich ziemlich schnell geändert, sobald die EDV-Ausbildung Pflichprogramm wurde und die Sache somit in Arbeit ausartete.

Umgekehrt gab es aber einen (bisher wohl wenig beachteten und beschriebenen) Bereich zwischen der offiziellen EDV-Euphorie und der privaten Spielerei, der wohl bei so manchem das Interesse weckte, auch wenn der keine West-Oma hatte. In Betrieben, Hochschulen und etwas später auch EOS, kamen zunächst ganz vereinzelt, dann doch allmählich häufiger, Rechner verschiedenster Herkunft und Bauart auf. Natürlich durfte da auch nicht jeder ran, aber im Gegensatz zu der mit den großen Anlagen in den Rechenzentren zum Exzess getriebenen Geheimniskrämerei ging es doch etwas lockerer zu, und wohl jeder, der solch ein gutes Stück verwaltete, hatte auch ein paar Spielprogrämmchen dazu...

Das fing übrigens nicht erst in den 80ern an. Meine ersten Kontakte zur Rechentechnik datieren z.B. schon von 1963, als das Institut für Mathematik unserer damaligen TH Chemie Merseburg einen der ersten "Kleincomputer" der DDR vom Typ SER2 erhielt. Ich schlug mich damals gerade mit einem mathematischen Problem aus der chemischen Kinetik herum und durfte, natürlich von so gut wie keiner Ahnung getrübt, das Gerät und mich selber ausprobieren. Das Erstaunlichste war, dass dabei in der Tat etwas Sinnvolles herauskam.

Später bekamen wir dann im eigenen Fachbereich einen Computer vom Nachfolgetyp C8205 (auch als D4A bekannt), der schon etwas mehr konnte und fast bis Ende 80er gute Dienste leistete.

Vielleicht fällt dies alles nicht in Deinen Themenbereich, aber hier als Brücke noch eine Episode:
Bekanntlich gab es zur Vorbereitung der Jugendweihe für die 14jährigen die sog. Jugendstunden mit Besichtigung von Betrieben oder anderen interessanten Objekten. Die Veranstalter hatten immer Mühe, geeignete Ziele zu finden. Rechenzentren waren tabu, da bot sich zwanglos unser
D4A an. Wir hatten also jedes Jahr mehrfach Besuch von Jugendgruppen. Der Rechner hatte noch keinen Bildschirm, konnte also auch keine Bilder darstellen, sondern nur Text über die Schreibmaschine rausklappern.
Und es gab ein Spiel "Länderraten", das viel Anklang fand und meist die Besuchszeit auf das Doppelte streckte.

So, für heute solll's reichen. Wenn Du mehr über diese Frühzeit oder auch andere Punkte wissen möchtest, dann melde Dich und frag mir Löcher in den Bauch....

Freundliche Grüße aus Halle
Gerhard
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