Buchungsmaschinen der Wandererwerke

(Alias Continental Buchungsautomat)

Ab den 1920er Jahren begann sich die Mechanisierung im Bankwesen durchzusetzen: hochkomplexe Buchungsmaschinen ersetzten zunehmend die bis dahin vorherrschende handschriftliche Buchführung. Die Buchungsmaschinen entlasteten die Bankangestellten von monotoner Arbeit und erhöhten das Tempo und die Fehlersicherheit der Arbeit.
Die Wanderer-Werke, seit Anfang des 20. Jahrhunderts traditioneller Hersteller kleiner mechanischer Rechenmaschinen, sprang in den 1920er Jahren auch auf den lukrativen Zug der Buchungsmaschinenherstellung auf. Es lag nahe, die Entwicklung der Buchungsmaschinen auf Basis der bisherigen Rechenmaschinenproduktion zu starten. Im wesentlichen wurde dazu die Anzahl der Speicher (bzw. der Rechenwerke) erhöht, die Maschine mit einer entsprechenden Formulartechnik ausgerüstet und die Arbeitsfolgen durch eine Programmsteuerung automatisiert.

Außer die Serie der Zahnstangen-orientierten Buchungsmaschinen produzierte Wanderer auch eine Serie schreibmaschinenorientierte Buchungsmaschinen namens BSR.


Continental Klasse 700

(Alias Continental 700)

Diese von den Wanderer-Werken ab 1926 konstruierte und ab 1929 gebaute Buchungsmaschine basierte auf der Continental Standard-Addiermaschine. Das von der Rechenmaschine bekannte Anzeigewerk für die Rechenergebnisse wurde auch in die Buchungsmaschine übernommen.


Buchungsmaschine Klasse 700

Buchungsmaschine Klasse 700

Buchungsmaschine Klasse 700

Zur Beschleunigung der Eingabe kleiner Zahlen konnte die Tastatur programmgesteuert geteilt werden, also zwei Zahlenwerte nebeneinander im selben Programmschritt eingegeben werden.

Ungewöhnlich war die Bedienung der Maschine: nicht alle Funktionen waren auf Tasten untergebracht. Einige wurden stattdessen durch das Ziehen von Knöpfen oder durch Umlegen von Hebeln ausgelöst.

Die Klasse 700 besaß 1 Saldierwerk (=Querwerk, rechenfähig über und unter Null) sowie bis zu 16 Speicherwerke (=Längswerke, rechenfähig über Null) mit einer Verarbeitungsbreite von 12 Dezimalstellen. Sie arbeiteten alle nach dem bei Wanderer üblichen Zahnsegment-Rechenprinzip.

Die Ausführung der Rechenvorgänge und der Rücklauf des Buchungswagens am Zeilenende wurde durch einen Elektromotor bewirkt.

Die Maschine war in eine Stahlrohrgestell eingehängt, das links eine Tischplatte zur Papierablage besaß.

Zur Programmierung besaß die Klasse 700 einige Stangen auf der Rückseite, auf denen sich verschiebbare Reiter befanden. Mit ihnen wurde festgelegt, welcher Befehl an welcher Tabellenspalte ausgeführt wird.


Rückseite der Maschine mit den Programmschienen

Von der Klasse 700 scheinen bis heute nur 2 Exemplare überlebt zu haben.


Continental Klasse 800

(Alias Continental 800)

Diese Buchungsmaschine der Wanderer-Werken war keine Weiterentwicklung der Klasse 700, sondern wurde 1937 auf Basis der Continental Pult-Addiermaschine (Klasse 100) neu entwickelt. 1 Jahr später kam sie auf den Markt mit typischem Einsatz in Geldinstituten, Handel, Industrie und Krankenkassen.


Continental 806

Continental 808

Innenleben der Maschine

Innenleben der Maschine

Sie besaß 1 Saldierwerk zum Rechnen über und unter Null (=Querwerk) sowie je nach Variante vier, sechs oder acht Speicherwerke (=Längswerke, rechenfähig oberhalb von Null). Die Maschinen wurde davon abhängig auch als "Modell 804", "Modell 806" oder "Modell 808" bezeichnet. Die Anzahl der Rechenwerke war geringer als bei der Klasse 700, wahrscheinlich um mehr Platz in der Maschine für programmgesteuerte Funktionen nutzen zu können.

Als Papier wurden mit Tabellen vorgedruckte Karten benutzt, für deren Handhabung die Maschine eine spezielle Formulartechnik besaß. Die Eingaben erfolgten über die bei Wanderer übliche Volltastatur.

Welche Berechnung in welcher Tabellenspalte vorgenommen wurde, wurde durch auswechselbare Programmbrücken bestimmt. Die Programmbrücke (genannt "Reiterkorb") war mit mechanischen Steckern unterschiedlicher Form und unterschiedlicher Position bestückt und konnte 26 unterschiedliche Befehle auslösen. Die Anzahl der Programmschritte wurde durch die Anzahl und Breite der Tabellenspalten bestimmt und konnte theoretisch fast 100 betragen. Die Programmierung übernahmen die jeweiligen Büromaschinentechniker in Form von Standardprogrammen des Wandererwerks oder durch kundenspezifische Programme. Im Optimalfall musste der Anwender nur die Zahlen, gefolgt von der Entertaste eintippen; alle anderen Arbeiten übernahm die Maschine dann von selbst. Für besondere Anwendungen konnte die Auswahl des beim Rechenschritt zu benutzenden Speicherwerks auch per Tastendruck erfolgen.


Buchungswagen

Die Programmbrücke mit dem Buchungsprogramm

Die Dateneingabe erfolgte durch die Tastatur und bestand im wesentlichen aus der Eingabe von Zahlen (je nach Kundenwunsch 10 oder 11 Dezimalstellen). Auf der Maschine waren einige Tasten mit Kurztexten belegt, die in der entsprechenden Spalte mit auf das Papier gedruckt wurden. Über Sondertasten konnte im Ausnahmefall die Programmierung teilweise aufgehoben werden, außerdem gab es eine Stornofunktion, mit der zur Fehlerkorrektur man alle Rechnungen umkehren konnte.

Die Maschine hatte eine Vorsteckeinrichtung, die sich programmgesteuert öffnete. Der Anwender steckte daraufhin die Kontokarte bis zur ersten freien Zeile ein und schloss die Vorsteckeinrichtung per Tastendruck.
Der Druck aufs Papier (Maximalbreite auf Kundenwunsch 35 oder 52 cm) erfolgte über ein Typenstangendruckwerk. Damit konnten Zahlen ausgegeben werden samt ihrem Vorzeichen (automatisch Schwarzdruck bei positiven Zahlen und Rotdruck bei negativen Zahlen). Außerdem Kurztexte, die die Art der aktuellen Buchung beschrieben und Symbole, die kennzeichneten, welcher Rechenschritt gerade ausgeführt wurde. Eine Volltextausgabe (Schreibwerk) hatte die Klasse 800 normalerweise nicht.

Im Inneren der Maschinen befand sich als Datenbus ein Satz Zahnstangen, mit dem die Informationen zwischen der Tastatur, den Rechenwerken und dem Druckwerk ausgetauscht wurden. Abhängig von der Programmierung gab es zu einen Zeitpunkt üblicherweise 1 Datensender auf dem Bus und 1 oder mehrere Datenempfänger. Mit Auslösung des Maschinenganges (entweder per Tastendruck oder automatisch per Programm) wurden sämtliche vorbereiteten Berechnungen parallel ausgeführt und die Ergebnisse in den Registern der beteiligten Rechenwerke gespeichert.

Die eigentlichen Rechenvorgänge wurden durch mechanische Rechenwerke, die nach dem Zahnstangenprinzip arbeiteten, bewirkt. Die Rechenwerke hatten eine Breite von 11 Dezimalstellen und konnten programmgesteuert in die Betriebsarten geschaltet werden.

Angetrieben wurde die gesamte Maschine durch einen zentralen Elektromotor. Er bewirkte die Auslösung der Rechenvorgänge sowie das Zurückziehen des Buchungswagens am Ende der Zeile.

Die Maschine war in ein Stahlrohrgestell eingehängt, das auf der linken Seite eine ausklappbare Tischplatte besaß. Je nach Ausstattung wog die Maschine bis zu 64 kg, zuzüglich 22 kg für den Ständer.

Es ist anzunehmen, dass Produktion und Verkauf der Maschine mit dem Ausbruch des 2. Weltkriegs stark abnahm, zumal der Hersteller zunehmend auf Kriegsproduktion umstellte. Nach dem Krieg wurde die Produktion der Klasse 800 wieder aufgenommen und lief noch bis in die Frühzeit der DDR. Parallel dazu erfolgte die Entwicklung der neuen Continental Klasse 900, die dann als Nachfolger etabliert wurde und funktionell die Klasse 800 übertraf.

Es gab verschiedenen Anläufe, die Klasse 800 mit einem Volltext-Schreibwerk auszustatten mit dem Ziel, auch Buchungstexte und Namensfelder auszufüllen. Ob diese Entwicklungen je über den Prototypenstatus hinaus gingen, ließ sich bisher nicht ermitteln.


Continental 800 mit Volltexttastatur

Continental 800 eingesteckter Schreibmaschine

Heute scheinen nur noch zwei Exemplare der Klasse 800 zu existieren, leider beide nicht mehr funktionsfähig. Eins wurde im Zuge der Rettung der Rechentechniksammlung Dortmund geborgen und befindet sich nun im Rechenwerk Halle. Eine langfristige Reparatur des Gerätes ist geplant.


Continental Klasse 900 / Klasse 9000

Die Klasse 900 war eine komplette Neuentwicklung nach Ende des 2. Weltkriegs. Kurz nach Anlauf der Serienproduktion wurde die Herstellung in das Optima-Werk nach Erfurt verlagert, wo sie unter dem Namen "Optimatic" (Technische Informationen siehe dort) weiter gefertigt wurde.

Ein Exemplar der Maschine, das noch im Wandererwerk gefertigt wurden, steht als Exponat im Rechenwerk Halle.




Letzte Änderung dieser Seite: 10.05.2023Herkunft: www.robotrontechnik.de